Uerdinger Geschichten
Auch ein Kirchturm kann manchmal seine Mucken haben, wie z.B. der Turm der hiesigen kath. Pfarrkirche am gestrigen Abend.
Hunderte Menschen starrten bewaffneten und unbewaffneten Auges zum Turme hinauf, um dessen Spitze mächtige Rauchsäulen
schwebten, bald stärker, bald schwächer werdend. Bei Vielen war die Ansicht geltend, daß das Holzwerk des Turmes glimme und
brachte man diese Ansicht mit dem am Nachmittage stattgehabten Gewitter in Verbindung. Die Volksmenge schwoll immer mehr an, die
Aufregung wuchs und schließlich begaben sich einige Männer in den Turm, und konstatierten, daß die angeblichen Rauchwolken –
harmlose Mückenschwärme waren. Derselben Ansicht waren schon einige der Untenstehenden gewesen, ohne damit viel Glauben zu
finden . – Daß unser Kirchturm solche Mucken hat, ist übrigens nicht neu, da vor längeren Jahren sich die Behörde veranlaßt fand, in
ähnlichem Falle den Turm zu revidieren und sogar bereits Vorkehrungen zur Löschung des vermeintlichen Brandes getroffen waren.
Uerdinger Anzeiger 23.6.1888
Uerdinger Lokalreporter berichteten über P L A G E N
gefunden von Rosemarie Rehbein
In einer Zeitung war ein untrügliches Mittel zu Vertilgung der Ratten angepriesen. Gegen Einsendung von einer Mark sollte dasselbe
franko zugeschickt werden. Ein von vielen Ratten geplagter Hausherr sandte so viel Briefmarken ein und erhielt nach einigen Tagen ein
frankirtes Packet mit zwei Stöcken und einem Zettel, worauf die Worte standen: „Schlage sie damit tot!“
Uerdinger Anzeiger 27.5.1891
R a u p e n p l a g e. Alljährlich wird von der Polizeiverwaltung auf das Abraupen der Bäume hingewiesen. Trotzdem kann man
beobachten, daß gerade diese Vorschrift noch zu wenig beachtet wird. Wissen denn die Gartenbesitzer nicht, daß sie sich strafbar
machen? In den Gärten meiner Nachbarschaft sitzen Dutzende von Raupennestern in den Bäumen. Es ist doch eine kleine Mühe, die
Zweige mit den Nestern jetzt abzuschneiden und zu verbrennen. Im Frühjahr wundern sich die Leute dann, wenn plötzlich Hunderte
Raupen an den Bäumen hängen und diese stellenweise kahl fressen. Dann wird mit allen möglichen und unmöglichen Mitteln dem
Raupenzeug zu Leibe gegangen. Meistens mit dem Erfolg, daß statt der Raupen Blätter und Blüten beschädigt werden. Darum heißt es:
raupt die Bäume j e t z t ab.
Uerdinger Anzeiger 2.2.1926
und K L A G E N
Von Seiten der vor das hiesige Schöffengericht geladenen Zeugen wurde uns lebhafte Klage geführt darüber, daß die sämtlichen zur
Verhandlung anstehenden Sachen – deren vorgestern 16 anstanden, über die bis 6 ½ Uhr abends verhandelt wurde – auf 9 Uhr
vormittags angesetzt worden seien. Für die auswärts wohnenden Zeugen ist ein so langes Abwarten mit vielen Uebelständen verknüpft,
so daß im Interesse dieser Leute eine Verteilung der Sachen auf verschiedene Zeiten des Verhandlungstages sich als praktisch empfehlen
dürfte. Gleichzeitig würde hierdurch einer Ueberfüllung des Sitzungssales, welche nebenbei auch eine fast unerträgliche Atmosphäre in
demselben herbeiführt, vorgebeugt sein.
Uerdinger Anzeiger 5.9.1891
Aus unserem Leserkreise geht uns mit der Bitte um Aufnahme zu: Es ist schon zur ständigen Klage in unserer Stadt geworden, daß die
Hausfrauen nicht wissen, wie sie Asche und Abfälle los werden können. Die alten Stadtgraben, welche früher zur Aufnahme dienten,
sind in schöne Anlagen umgewandelt worden und das Abladen von Schutt etc. ist überall verboten. – Unsere baulichen Verhältnisse sind
heute meistens so gestaltet, daß ein längeres Lagern von Abfällen unmöglich und zumal die Sommer und auch gesundheitsschädlich ist.
Wenn nun in manchen kleinen Städten die Einrichtung getroffen ist, daß zur festgesetzten Zeit Asche und Abfälle mittels Fuhre abgeholt
wird, so ist es nachgerade an der Zeit, daß auch in unserer Stadt diese Einrichtung getroffen wird. Was die einzelnen Bürger schon jetzt
dafür verausgaben müssen, würde eine allgemeine Einrichtung schon lohnen. Sollte jedoch ein Privatmann sich dafür nicht bereit
erklären, so erachten wir es für die Pflicht unserer städtischen Verwaltung hier Abhülfe zu schaffe.
Uerdinger Anzeiger 21.11.1891
Von Passanten der Verbergerstraße(1) wird uns lebhaft darüber Klage geführt, daß dieser Verbindungsweg nach Traar und Verberg durch
die denselben aufgebrachte hohe Kiesdecke für Fuhrwerke unpassierbar gemacht sei. Die Leute wären gezwungen, einen weiten
Umweg zu machen, um unsere Stadt erreichen zu können.
Uerdinger Anzeiger 2.12.1891
(1) Die heutige Traarer Straße
UeR 1628
Er verstand nur Bahnhof
von Rosemarie Rehbein
Die nachfolgende Anekdote wurde mir von Herrn Karl Engels, dem langjährigen
Archivar des Uerdinger Heimatbundes erzählt.
Die Handlung spielte Anfang der fünfziger Jahre, als Dujardin im wahrsten Sinne
des Wortes in (fast) aller Munde war. Der Weintanker IMPERIAL durchpflügte
noch nicht den Atlantik und der Transport von Brennwein erfolgte ausschließlich
mit für den Weintransport bestimmten Spezial- Eisenbahnwaggons der
Bundesbahn.
Als wieder einmal eine größere Anzahl dieser Kesselwagen bereit stand, in
Richtung Südfrankreich auf den Weg gebracht zu werden, übertrug
Speditionsprokurist Carl Kamps einem jüngeren Mitarbeiter die Aufgabe: "Diese
Waggons müssen schnellstens zum Bahnhof Narbonne. Bitte übernehmen sie
das." Dienstbeflissen übernahm der Angesprochene die Angelegenheit und noch
in der gleichen Nacht rollten die Güterwagen über die Schienen. Am nächsten
Tage meldete sich ein Beamter des Bahnhofs Bonn bei Karl Kamps. "Hier stehen
mehrere Dujardin-Waggons. Was soll damit passieren?"
Dem zunächst verdutzten Prokuristen dämmerte, dass es ein akustisches Problem
bei seiner Auftragserteilung gegeben hatte und versprach sofortige Anweisung zur
Weiterleitung an den richtigen Zielbahnhof. Der junge Angestellte hatte zwar
ganz richtig Bahnhof, aber statt "Narbonne" - "nach Bonn" verstanden.
Also, darauf einen ...
Ein abfahrbereiter Kesselwagenzug
auf der Dujardinstraße
Bildnachweis: Archiv der Firma Dujardin
UeR 1313
Flaschenpost aus Afrika gefunden von Rosemarie Rehbein
Uerdingen, 9. Nov. Ein früherer Bürger von hier, welcher vor vielen Monaten nach Westafrika reiste, sich dort in der deutschen
Colonie Klein-Popo niederließ und sich daselbst durch seinen Unternehmungsgeist eine hervorragende commerzielle Stellung zu
verschaffen wußte, hatte bei seiner Abreise kleine Proben Cognac aus der bekannten Brennerei von Gebrüder Melcher, Uerdingen
mitgenommen. Gleichzeitig hatte sich derselbe auch mit größeren Proben der renommirten Champagner-Marke Monopole Concurrenz-
Marke von Wilhelm Melcher & Cie. Johannisberg am Rhein „contra Heidsieck & Cie. Reims“ vorsorglich versehen. Diese Proben
wurden dort in unserer Colonie so vorzüglich befunden, daß nach kurzer Zeit eine größere Probeordre im Betrage von M. 240 erfolgte.
Am heutigen Tage lief dieser Betrag per Postanweisung aus Klein-Popo an die Firma Gebrüder Melcher, Cognac-Brennerei in
Uerdingen am Rhein hier ein. Frankirt war die Anweisung mit M. 1,20 und datirt vom 6. Oktober. Es dürfte dies wohl die erste
Baarsendung sein, die von der genannten deutschen Colonie hierselbst zur Auszahlung gelangte. Zu gleicher Zeit wurde die angezogene
Firma Gebrüder Melcher nicht allein mit einem belangreichen Auftrag auf deren Cognac, welcher von Fachleuten ersten Ranges als
concurrenzlos anerkannt ist, beehrt, sondern es wurde auch eine ganz bedeutende Ordre für die Firma Wilhelm Melcher & Cie. in
Johannisberg mit Lieferung obengenannter Champagner-Marke beigefügt. Nach den begleitenden Mitteilungen dürfen wir verraten, daß
sowohl die Cognacs- wie auch die Champagner-Marken drüben bei unsern fernen Vettern einen solch allseitigen Anklang gefunden,
daß zu weiteren Nachbestellungen die schönste Aussicht gegeben wurde. –
Wenn es im allgemeinen erfreulich ist, daß unsere vaterländischen Produkte einen solchen Ruf genießen, daß in fernen Weltteilen
darnach verlangt wird, so dürfen im besonderen die oben genannten Firmen und deren Inhaber auf diesen beneidenswerten Erfolg nicht
wenig stolz sein.
Klein-Popo, Küstenstadt in Togo, 1905 umbenannt in Anecho.
Uerdinger Anzeiger 11.11.1891
UeR Nr. 6 M
Eine vertraute Ansicht
von Rosemarie Rehbein
Dieses schöne Foto brachten Heidi und Bernd Müller von ihrer Reise an
die Mosel mit. Es zeigt den Glockenturm der Evangelischen
Christuskirche in Trier. Er ist nahezu baugleich mit dem der hiesigen
Michaelskirche, was nicht verwundert, denn beider Architekt war der
bekannte Kirchenbaumeister Prof. Heinrich Otto Vogel, Trier. Das
Gotteshaus wurde am 15. Dezember 1963 geweiht und am 21.
September 2014 entwidmet. Das Kirchengebäude wird abgerissen, nur
der Turm bleibt stehen.
Der Turm der Evangelischen Christuskirche
Textnachweis: „Michaelskirche zu Uerdingen, Festschrift zur Einweihung am
13.12.1964, Pfr. E. Hasheider mit Genehmigung des Presbyteriums.“
Evangelischer Kirchenkreis Trier, Nachrichten, „Erinnerungsgottesdienst“.
Trierer Zeitung v. 19.9.2014, M. Poppe.
Bildnachweis: Bernd Müller
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Ein Baum der Erkenntnis
von Rosemarie Rehbein